Qigong ist eine meditative Selbstheilungsmethode in Bewegung
Qigong verhilft auf ganzheitliche Weise zu mehr Selbstwahrnehmung, Entspannung und Gesundheit. Jeder Mensch kann es lernen, denn es ist eine sehr weiche Methode von besonderer Anpassungsfähigkeit. So können die gleichen Übungen gehend, stehend, sitzend, liegend und in der Vorstellung geübt werden. Dabei folgen alle Übungsformen den natürlichen Bewegungen des Menschen, was Spannungen verhindert und zu einem verbesserten Gebrauch des Körpers im täglichen Leben beiträgt. Übt man täglich, spürt man schnell einen deutlichen Gewinn an Kraft, Ausgeglichenheit und Selbstwertgefühl.
Die langsamen und fließenden Bewegungsabläufe sorgen für eine tiefe Entspannung des Körpers, der Atmung und des Geistes. Dabei richtet man den Blick nach innen und macht Kontakt mit dem Bauchraum, dem unteren Dantian, in dem nach chinesischer Vorstellung alle Kräfte entstehen. Qigong ist also eine Meditation in Ruhe und Bewegung, in der man ähnlich wie im Traum, geistig aktiv ist, und doch den Körper ausruht. Entspannung, Regeneration und Heilung werden spürbare Vorgänge, die mit mehr Erfahrung immer klarer stattfinden können.
Der Legende nach hat vor 4000 Jahren der Herrscher Tao Tang einen Tanz erfunden, um sein Volk aus einer trüben und trägen Stimmung zu befreien. Dieser Tanz gilt als frühe Quelle der heutigen Qigong-Praxis. In ganz China übten Menschen diese Übungen seither mit innerer Achtsamkeit in familiären Strukturen, oder als bewegte Ergänzung zur Meditation in klösterlicher Gemeinschaft. In den chinesischen Kampfkünste verfeinerte das Qigong die Techniken über die Jahrhunderte, da es uns schult zu verstehen, wie Bewegung überhaupt funktioniert. Es kam zu dem Ausdruck, den wir heute in Filmen wie „Tiger and Dragon“ erleben. Zudem beseitigt eine von Generation auf Generation übertragene Anwendung Fehler beim Üben, was zur besonderen Wirksamkeit dieser Methode beitrug.
Qigong bedeutet Arbeit mit dem Qi. Qi bedeutet Energie oder Lebenskraft. Ihr Wesen ist zu tiefst dynamisch, und entsteht durch die Wandlung der Dinge, wie man sie überall beobachten kann. Sie umfasst das Geboren werden, Wachsen und Vergehen. Es braucht also drei Schritte, um die Kraft des Lebens zu entfalten. Überträgt man dieses Prinzip auf den Menschen, so besteht auch er aus drei Aspekten, die wir deutlich voneinander unterscheiden können, das ist der Kopf, die Brust und der Bauch. Diese wiederum beherbergen oder behausen die drei Schätze des Menschen, den Körper, die Atmung und den Geist. Das Qigong ist die Methode, wie man diese drei Schätze harmonisch zu einer Kraft verbindet.
Um dazu den Körper besser wahrnehmen zu können, arbeitet man im Qigong mit den langsamen und fließenden Bewegungen. Die einkehrende Ruhe reguliert die Atmung. Ruhiger atmend, verlieren die Emotionen ihre Dringlichkeit. Dann kann das Herzen seine angestammte Stellung im Menschen einnehmen und den Körper lenken und leiten. Dazu nutzt man Bilder aus der Natur, die ja den Menschen geschaffen hat, und die deshalb tief in uns verankert sind. So gelingt die Verbindung der Drei, und die Lebenskraft kann ungehindert und natürlich fließen.
© Ulla Blum
Der Begriff Qigong kam erst in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf. Doch in jüngster Zeit spricht man immer öfter von der Pflege des Lebens, Yangsheng, zu dem diese Übungen früher gerechnet wurden. In Übereinstimmung mit den Zyklen der Natur legt das Yangsheng Wert auf die Kultivierung der inneren Kräfte des Menschen, wie es der Daoismus, die ursprüngliche Philosophie in Chinas lehrte. Begriffe wie „Weg und Tugend“, „wahrer Mensch“, „Himmel und Erde“, „Leben und Atemkraft“, „Herz und Same“ sind damit verbunden.
Mir ist es wichtig, mit der Praxis der Übungen auch die philosophischen Grundlagen des daoistischen Denkens zu vermitteln. Sie helfen uns zu wissen was man tut, übt man Qigong.
Man lässt sich auf die Schwerkraft ein und arbeitet mit der Symmetrie des Körpers. Sinken und Steigen, Öffnen und Schließen sind Schlüsselbegriffe der Übung. Ziel ist es, mit geringstem Kraftaufwand beste Ergebnisse zu erzielen. Das gilt auch für das Verstehen. Die chinesische Medizin ist eine Wissenschaft der Erfahrung. Ihr Messwerkzeug sind die fünf Sinne, deren Rückmeldungen unmittelbar sind, und zwar so sehr, dass wir die damit verbundenen Erfahrungen meist nicht mehr wahrnehmen. Denn der moderne Mensch lebt entfremdet von der Natur und sich selbst. Oft spüren wir kaum, was wir erleben, und so suchen wir anderswo nach Erkenntnis, als in uns selbst. Im Wahren Buch vom südlichen Blütenland, Buch XII, Vers 4 schrieb Zhunag Zi dazu folgendes Gleichnis:
Die Zauberperle
Der Herr der gelben Erde wandelte jenseits der Grenzen der Welt.
Da kam er auf einen sehr hohen Berg und schaute den Kreislauf der Wiederkehr.
Da verlor er seine Zauberperle.
Er sandte Erkenntnis aus sie zu suchen und bekam sie nicht wieder.
Er sandte Scharfblick aus sie zu suchen und bekam sie nicht wieder.
Er sandte Denken aus sie zu suchen und bekam sie nicht wieder.
Da sandte er Selbstvergessen aus. Selbstvergessen fand sie.
Der Herr der gelben Erde sprach: „Seltsam, fürwahr, dass gerade Selbstvergessen in der Lage war sie zu finden!“
So ist das Qigong, welches aus vortechnischen Zeiten kommt, in denen der Mensch grundlegende Erfahrungen über sich und das Leben gewonnen hat, ohne die es das modere Leben nicht gäbe, nicht nur ein wertvolles Werkzeug für die Regeneration und Heilung, sondern auch eine tiefe Form der Selbsterfahrung und Selbstentwicklung. Es kann uns zeigen, wie wir uns selbst und das Leben auf der Erde erhalten können.
Neben speziellen Bewegungen für die Wirbelsäule, wird im Qigong die Wirbelsäule meist aufrecht gehalten. Bewegt werden vor allem Arme und Beine. Zu Beginn ist das für viele Menschen anstrengend. Doch übt man weiter, entwickelt der Körper schnell seine ihm innewohnende Intelligenz, und eine, den ganzen Körper erfassende Entspannung wird möglich. Sie setzt bei unterschiedlichen Menschen auf unterschiedliche Weise ein. Manche fühlen sich nachher einfach nur leicht und wohl. Andere sagen, sie könnten besser sehen oder riechen. Wieder andere berichten, ein Schmerz, der sie seit Jahre quält sein plötzlich weg. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Wirbelsäule, und mit ihr das zentrale Nervensystem in der Übung enorm entlastet wird.
Das Qigong ist im Wesentlichen am Qi-Fluss orientiert, also am Gesunden, nicht am Kranken. Das Fließen aller Säfte und Kräfte im Körper ist so wesentlich, da das Flüssige alles einschließt was zu uns gehört, und alles mit allem verbindet. Wie die Erde selbst besteht ja auch der Mensch zu 70 Prozent aus Wasser. So ist der Qi-Fluss vergleichbar mit dem Wasserkreislauf der Erde, der alles Leben erhält. Das Wiederherstellen des Qi-Flusses ist ein wichtiger Faktor für die Wirksamkeit des Qigong. „Folge dem Lauf des Wassers“ würde ein Daoist sagen. Deshalb ist das Wasser ein wichtigstes Vorstellungsbild in den Übungen. Lao Zi sagt dazu im Dao De Jing, Vers 78:
Auf der ganzen Welt gibt es nichts Weicheres und Schwächeres als das Wasser.
Und doch in der Art, wie es dem Harten zusetzt, kommt ihm nichts gleich…
Lao Zi
Der Daoismus geht zurück auf Lao Zi. Er gilt als Autor des „Dao De Jing“, das Buch vom „Weg und der Tugend“, und auf Zhuang Zi, der „Das wahre Buch vom südlichen Blütenland“ geschrieben hat. Gelebt haben beide um etwa 500 vor Christus.
Beide Bücher sind voller Rätzel, doch faszinierend in ihrer Art. Es heißt, Lao Zi habe seine 64 Sprüche über die Welt, den Menschen und den Kosmos, und wie sich der Mensch in Beziehung zur Umwelt am besten verhalten solle geschrieben, nachdem er, alt und weise geworden, China auf einem Büffel reitend verlassen wollte. So wird er auf einem Büffel reitend dargestellt. Genau in der Mitte des Dao De Jing findet sich der Spruch, der für das chinesische Weltbild und das Qigong gleichermaßen prägend ist. Aus ihm leitet sich eine numerologische Betrachtung der Welt und des Menschen ab, mit der ich im Qigong arbeite. Sie ist äußerst brauchbar und nützlich beim Üben. Vers 42 lautet:
Der Sinn (Dao) erzeugt die Eins.
Die Eins erzeugt die Zwei.
Die Zwei erzeugt die Drei.
Die Drei erzeugt alle Dinge.
Alle Dinge haben im Rücken das Dunkle und streben nach dem Licht, und die strömende Kraft gibt ihnen Harmonie.
Zhunag Zi
Hingegen ist das Werk Zhunag Zi`s prosaisch und voller Geschichten und Gleichnissen. Darunter befindet sich auch „Der Schmetterlingstraum“, ein Gleichnis, von dem viele Menschen schon einmal gehört haben. Zhunag Zi wird häufig mit einem Schmetterling über dem Kopf dargestellt. Das Gleichnis vom Schmetterling sagt uns viel über den Nutzen und die Bedeutung der Vorstellungskraft, so wie sie im Qigong gebraucht wird. Ihr kommt in den Übungen eine anführende Bedeutung zu.
„Einst träumte Dschuang Dschou, dass er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wusste von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, dass er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge.“
Für die Übersetzung chinesischer Schriftzeichen gibt es unterschiedliche Schreibweisen. Hier wurde die originale, heute nicht mehr übliche Schriftweise nach Richard Wilhelm beibehalten. Richard Wilhelm ist ein bedeutender Übersetzer chinesischer Weisheiten ins Deutsche, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts lange Zeit in China lebte.
Die wesentliche Idee des Daoismus beruht auf einem Vergleich von Mikro- und Makrokosmos. Es ist eine ganz auf die Natur bezogene Sicht des Menschen in Beziehung zur Welt in der er lebt. Im Wesentlichen sagt sie, handelt der Mensch in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Natur, ist ihm Gesundheit, Harmonie und ein langes Leben beschert, handelt er den kosmischen Gesetzen zuwider, erntet er Krankheit und Tod.
Es ist also wichtig, die Gesetze der Natur zu kennen und zu befolgen. Dazu führt der Daoismus alles Denken zurück auf das Verhältnis von Himmel und Erde. Wir sind Menschen der Erde, werden von ihr ernährt, wachsen heran und vergehen, und erleben dabei den Himmel über uns. Im Wechsel von Tag und Nacht erfahren wir unsere Bestimmung. Alle belebte und nicht belebte Natur folgt der Bewegung der Sonne, dem Mond und den Sternen, die nicht nur Tag und Nacht, sondern auch den Kreislauf der Jahreszeiten bestimmt. Am Himmel erkennen wir die widerkehrende Ordnung, die er in Form der Sternbilder über uns ausbreitet. Dabei, so die chinesische Vorstellung, ist der Himmel größer als wir selbst.
Im Wechsel von Tag und Nacht, den wir ja täglich erleben, liegt nicht nur Vertrauen und Teilhabe am großen Ganzen, sondern auch Unvorhersehbarkeit und Tod. Alles ist möglich zwischen Himmel und Erde, alles kann geschehen. Dennoch ist keine Erfahrung so dauerhaft für uns wie die von Tag und Nacht.
Der Mensch erfährt und beobachtet das Leben von der Erde aus. Es ist in ihm und um ihn herum. Deshalb ist der erkennende Mensch Mittelpunkt seiner Beobachtungen. Erkenntnis ist im chinesischen Denken damit an den Standpunkt gebunden, sie ist subjektiv. Objektivität liegt in dem, was wir als Menschen miteinander teilen, wie zum Beispiel den Körperbau. Er bestimmt, dass wir Menschen sind, aber auch die Emotionen, mittels denen wir kommunizieren. Die physische Anbindung an die Erde ist grundlegend für Gefühle wie Sicherheit und Vertrauen. Auch unsere Bewegung kommen ausschließlich aus der Kraft der Erde. Daher ist das Verwurzeln wie ein Baum das erste, was man im Qigong lernt. Es kann den Menschen beruhigen und Spannungen und Stress auflösen.
Stehen wie eine Kiefer, TCM-Kongress Rothenburg ob der Tauber 2017
Ein Spruch heißt: willst du, dass der Baum wächst, dann sorge dafür, dass er gute Wurzeln hat.
Doch hat der Baum auch eine enge Beziehung zum Himmel. Die Erde sorgt für Ernährung und Wasser, und den Austausch mit anderen Wesen, vom Himmel bekommt der Baum Luft und Licht. Er selbst ist ein Wesen dazwischen. Auch wenn sich der Mensch, anders als ein Baum, auf der Erde bewegt, lebt auch er zwischen Himmel und Erde. Deswegen ist in der chinesischen Philosophie der Mensch die Mitte zwischen Himmel und Erde. Auch wenn man viele Mitten im Körper beobachten kann, gibt es doch nur zwei grundlegende Mitten, auf die alles Werden zurückgeht.
Das ist die vertikale Mitte zwischen Himmel und Erde, die das Leben erzeugt, und die horizontale Mitte, die den Raum zwischen rechts und links öffnet. Beide Bewegungen sind im Körper miteinander verbunden wie bei einem Knoten. Diese Verbindung wird erst unterbrochen, wenn der Mensch stirbt. Der Nabel ist das sichtbare Zeichen dafür. Indem sich das Leben weiter teilt und teilt, steht die Verknüpfung der Vertikalen und Horizontalen damit auch für den Lebensfaden, der sowohl zeitlich wie räumlich alles mit allem verbindet. Deshalb richtet man sich im Qigong entlang beider Achsen aus, und sucht sein inneres Gleichgewicht.
Knoten
Hände vor dem unteren Dantian
Übend nimmt man dazu einen Standpunkt ein, verwurzelt sich mit der Erde und steht, die Wirbelsäule aufrecht, angebunden an den Himmel, und erfährt den unermesslich weiten Himmel über sich. So lernt man den Qi-Fluss, den Austausch zwischen Himmel und Erde in sich ruhig und entspannt zu beobachten. Das geozentrische Weltbild ist und bleibt damit die Wurzel für das Gleichgewicht des Menschen, wie für jede Erkenntnis die der Mensch haben kann. Dabei ist die Erde die Kraft, die jede Form erzeugt. Deshalb heißt es im Daoismus, ist der Himmel groß und mächtig, und die Erde die Mutter aller Wesen.
Der menschliche Blick von der Erde in den Himmel und wieder zurück ließ den Menschen das Yin-Yang-Zeichen malen. Es zeigt, wie sich das Licht und die Dunkelheit im Laufe von 24 Stunden auf der Erde entfaltet. Dabei stellt es die Tag- und Nachtgleichen dar, den harmonischsten Ausdruck der Bewegung des Lichtes im Laufe des Jahres. Lässt man die Sonne linker Hand aufgehen, so wie es in dem chinesischen Denken festgelegt wurde, ist links das Yang und rechts das Yin. Damit ergibt sich ein rechtsläufiger Kreislauf im Urzeigersinn. Er wird später Himmel, Hou Tian 侯天genannt, auch Nachhimmel nach König Wen (1050 v. Chr.).
Tai Ji / Später Himmel
Will man hingegen die ursprüngliche Bewegung des Lebens vom Himmel auf die Erde darstellen, so wie sich alle Samen zuerst Richtung Erdmittelpunkt entwickeln, um sich dann gedreht um 180 Grad Richtung Licht zu entfalten, stellt man das als Bewegung im Gegenuhrzeigersinn, also linksläufig dar. Sie heißt früher Himmel, Xian Tian 先天, auch Vorhimmel nach Fu Xi (2825 v. Chr.) genannt.
Tai Ji / Früher Himmel
Nur beide Bewegungen zusammen ergeben Sinn. Beide Richtungen, von oben nach unten, wie von unten nach oben lassen den Austausch aller Flüssigkeiten im Menschen zu. Sie sind tief in jeder physischen Struktur des menschlichen Körpers verankert und ermöglichen alle Bewegungen. In den Übungen finden wir sie in der Beweglichkeit der Wirbelsäule, der Arme und Beine wieder. Nur so wird das Sinken und Steigen, Öffnen und Schließen möglich. Nur zusammen helfen sie das Leben zu nähren, und sowohl den Himmel, als auch die Erde in der Übung aufzunehmen. Das zu üben heißt Yangsheng, die Pflege des Lebens.
Den Zyklus der Zeit hat der Mensch seit jeher im Kreislauf der vier Jahreszeiten beobachtet und die lichten Zeichen des Himmels mit den Erscheinungen auf der Erde verglichen. Dieser Mythos geht in China auf den ersten der fünf Urkaiser, auf Fuxi (frühe Zhou-Dynastie, 11. Jh. v. Chr. bis 771 v. Chr.) zurück. Er ist der Erfinder der Acht Trigramme. Sie werden im I Ging, dem ältesten Buch der chinesischen Philosophie beschrieben. Der Vergleich von Licht (Himmel) und Dunkelheit (Erde) wird dort als Strichcode ausgedrückt, wobei das Licht mit einem durchgezogenen Strich (Yang) und die Dunkelheit mit einem unterbrochenen Strich (Yin) symbolisiert wird.
Diese Bezeichnung führte zur nächsten Unterscheidung. Als Kreisbewegung (Verdoppelung des ursprünglichen Yin-Yang) bringt der Wechsel von Licht und Dunkelheit in der folgenden Generation (zeitlicher Aspekt) den Rhythmus der vier Himmelsrichtungen Osten, Süden, Westen und Norden und die irdischen Bedingungen der vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter sowie Morgen, Mittag, Abend und Nacht hervor. Indem Fuxi die beiden ersten Yin- und Yang-Striche einfach nur verdoppelte, blieb die ursprüngliche Bedeutung des Yang- und Yin-Striches erhalten, doch ließ sich eine weitere Bedeutung hinzufügen.
Mit der Kombination der vier Bilder (Sixiang) entwarf er die Darstellung, welche die Grundfesten des Lebens symbolisiert. Fügt man einen dritten Strich hinzu (dritte Generation), entstehen die Acht Trigamme, verdoppelt man diese, kommt man zu den 64 Hexagrammen, die im I Ging beschrieben werden.
Die acht Trigramme
Zeichnung Christiane Schlosser
Die 64 Hexagramme des I Ging
Im chinesischen Denken wird das Dao als Kreisbewegung, also zyklisch dargestellt. Es ist eine Darstellung für den Ursprung allen Lebens, die aus der ursprünglichen Einheit kommt.
Dao-Kreis
Da der Mensch den Ursprung nicht erfassen kann, wie es in den alten Schriften heißt, kann der Mensch über das Dao nicht sprechen, denn der Ursprung liegt jenseits der menschlichen Vorstellungswelt.
Laozi, Dao De Jing, Vers 1
Der Sinn (das Dao), der sich aussprechen lässt,
ist nicht der ewige Sinn (das ewige Dao),
Der Name, der sich nennen lässt, ist nicht der ewige (wirkliche) Name.
„Nichtsein“ nenne ich den Anfang von Himmel und Erde. „Sein“ nenne
ich die Mutter der Einzelwesen…
Doch ist der Mensch ausgestattet mit Geist und Vorstellungskraft und hilft sich, indem er angeregt von seinen Beobachtungen, die beiden Urkräfte Yin und Yang als Einheit darstellt, so wie es das Yin-Yang-Zeichen zeigt. Deshalb wird dieses Bild im Chinesischen Tai Ji genannt, die große Einheit.
Tai Ji Tu
Als kreisrunde Bewegung beschreibt das Tai Ji den Ablauf der Zeit, die von Beginn an immer in eine Richtung fließt. Dabei fließt das Yang (das Helle) hinab und wird zu Yin, und das Yin (das Dunkle) steigt auf und wird zum Yang (Wandlung). Die helle Seite zeigt die Anwesenheit des Lichtes, und die dunkle die der Nacht im Laufe von 24 Stunden. Das Tai Ji beschreibt damit ausschließlich die beiden Tag- und Nachtgleichen, die auf eine ausgeglichene Verteilung des Lichtes während der 365 Tagen des Jahres hinweist. Zyklisch betrachtet geht der Kreis (die Zeit) jedoch weiter, und obwohl die Wandlung schon begonnen hat, geht die kreisrunde Bewegung weiter. Das ist die Bedeutung des schwarzen Punktes im weißen, und des weißen Punktes im schwarzen Feld. Zusammen zeigen sie die Wandlung von Licht zu Dunkelheit und Dunkelheit zu Licht, sobald der höchste oder tiefste Punkt erreicht ist.
Stellt man die gleiche Bewegung zeitlich dar, entsteht die Welle, beide üben wir im Qigong. Doch gibt es auch die gerade Bewegung. Das ist der Pfeil der Zeit, entlang dessen sich die Welle entwickelt. Im Tai Ji ist sie nur indirekt vorhanden, als Kreuz das Sommer und Winter und Frühling und Herbst als Oppositionen verbindet. Dieses Kreuz hat eine Mitte.
Die Welle
In der Welt der Dualität kommt also alles zweimal vor. Auch das Tai Ji zeigt die Einheit zweimal an. Einmal sichtbar als äußere Hülle, und einmal unsichtbar als Mitte im Tai Ji, in der sich alle Kräfte treffen. Dieses nicht sichtbare Zentrum ist ein unmittelbarer Hinweis auf das Dao selbst, dem das Tai Ji entspringt.
In der Welt der Erscheinungen sind Yin und Yang jedoch veränderbar, und erscheinen wie bei Sommer und Winter mal mehr Yang (licht), mal mehr Yin (dunkel). Und selbst wenn die Mitte, von der alles ausgeht nicht sichtbar ist, so können wir sie doch fühlen. Es ist das Gefühl für eine in uns innewohnende Harmonie und Ausgleich in allen Dingen. Es ist sehr nützlich für den Menschen. Lao Zi verglicht es mit der Nabe des Rades, die in der chinesischen Philosophie oft als „Leere“ bezeichnet wird. Im 11. Vers des Dao De Jing schreibt Lao Zi dazu:
Dreißig Speichen umgeben eine Nabe:
In ihrem Nichts besteht des Wagens Werk.
Man höhlet Ton und bildet ihn zu Töpfen: In ihrem Nichts besteht der Töpfe Werk.
Man gräbt Türen und Fenster, damit die Kammer werde:
In ihrem Nichts besteht der Kammer Werk.
Darum: Was ist, dient zum Besitz. Was nicht ist, dient zum Werk.
Das Yin-Yang-Zeichen heißt im Chinesischen auch Tai Ji Tu, das Bild der großen Einheit, kurz Tai Ji genannt.
Tai Ji bedeutet das große, oder die äußerste Einheit, die Yin und Yang hervorbringt. Die heute übliche Form für das Tai Ji hat sich in China seit dem 11. Jh. (Ming-Dynastie) verbreitet.
Yáng 陽 das Helle, bedeutet:
1. Teil = Lautzeichen
2. Teil oben = Sonne/ Sonnenaufgang
2. Teil unten = alles beginnt sich zu bewegen
Yīn 陰 das Dunkle bedeutet:
1. Teil = Lautzeichen
2. Teil oben = hier und jetzt zusammenkommen
2. Teil unten = Wolken
In den früheren Jahrhunderten wurde die Yin-Yang-Idee mittels drei konzentrischer Kreise dargestellt, wobei der zentrale Kreis für das Dao steht.
frühe Darstellung des Tai Ji (Ausschnitt)
Tai Ji bezeichnet auch den Fixstern, den Angelpunkt des Himmels, der dem Menschen zur Orientierung diente. Hier dargestellt mit dem Großen Wagen, dessen Ausrichtung der Achse im Laufe des Jahres die vier Jahreszeiten zeigt.
Polarstern und Großer Wagen
Es zeigt auch den Gipfel eines Berges, oder den Firstbalken eines Satteldaches, welches jeweils die recht und linke Seite vereinigt.
Foto Ulla Blum, China 2004
Oft wird das Tai Ji auch durch zwei umeinander schwimmenden Fische dargestellt. Dann deutet es auf seinen dynamischen Aspekt hin.
Tai Ji-Darstellung als Fischsymbol
Zur Dynamik des Tai Ji Tu
Wie beim Baum des Lebens setzt das Yin-Yang-Prinzip eine Bewegung in Gang und entwickelt sich ohne Ende weiter. Um das auszudrücken kennt man folgende Darstellungen.
Dynamisches Tai Ji
Der Kreis ist also eigentlich kein Kreis, sondern eine Spirale.
Yin-Yang in der westlichen Kultur
In der westlichen Kultur heißt dieses Zeichen Monade. Nach Wickypedia ist: Der Terminus Monas (von griechisch μονάς monás „Einheit“, „Einfachheit“) oder Monade … eine naturphilosophisch gedachte Einheit von zugleich physischer und psychischer Bedeutung. Sie unterscheidet sich von der Urstofflehre der Vorsokratiker durch die Anwendung mathematischer Methoden auf die sich ergebenden Fragen, insbesondere durch die seit René Descartes vollzogene begriffliche Trennung von Res extensa und Res cogitans und erscheint damit als holistischer Aspekt des Leib-Seele-Problems. In der Geschichte der Philosophie wurden unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs Monade entwickelt, deren Grundaspekte aber erstaunlich konstant bleiben. Sie beginnen bei den Pythagoreern und entfalten sich insbesondere im Neuplatonismus, in der Christlichen Mystik, der jüdischen Kabbala sowie in der hermetischen Tradition. Später bündeln sich dann fast alle in Leibniz` Monadologie, bevor sie im 19. Jahrhundert in Spezialbedeutungen auseinanderbrechen.
Yin und Yang sind Embleme, deren Ursprünge bis in die Zhou-Dynastie zurückreichen (1100-700 v.Chr.). Die ältesten Belege, die auf Yin und Yang hinweisen finden wir im Buch der Wandlungen, dem I Ging.
易經. Die Paarung der Symbole wurde dort zur Befragung des Orakels genutzt. Wie von Fu Xi entwickelt, wurde dazu das "Ja" (Yang/ Himmel) durch einen einfachen durchgehenden Strich , und das "Nein" (Yin/ Erde) durch einen unterbrochenen Strich dargestellt.
Stellt man auch hier den zeitlichen Ablauf dar, entwickelt sich der Baum des Lebens. In der chinesischen Philosophie wurde dazu folgendes Bild entwickelt. Es zeigt über drei Generationen die Entwicklung des Lebens als Verdoppelung des Strich-Codes nach Fu Xi.
Entwicklung der 8 Trigramme in drei Schritten
In den Übungen nutzt man diese drei Generationen der Entwicklung des Lebens, um die vier und acht Richtungen darzustellen. Sie entsprechen auch den acht außerordentlichen Meridianen, die im Innern des Menschen für die Entstehung und Regeneration sorgen. Diese Kräfte werden in der Übung der Acht Brokate genutzt, um die tiefen, inneren Kräfte des Menschen zu regulieren und zu harmonisieren.
Acht Trigramme in Beziehung zu den in drei Schritten
Acht Brokatübungen mit den Öffnungspunkten der Acht Meridiane
Stellt man Yin und Yang als die zwei Kräfte dar, die sich aufeinander beziehen und zusammen ein ganzes ergeben, so ergibt sich damit eine dritte Kraft, das Qi, die Mitte zwischen Yin und Yang. So wie es der 42. Spruch von Lao Zi andeutet, zeigt diese Bild das Grundmuster allen Lebens. Denn es bedarf beider Geschlechter um das Leben zu erhalten. In der chinesischen Vorstellung ist die dritte Kraft der Mensch. Deswegen heißen Yin, Yang und Qi auch Himmel, Erde, Mensch.
Diagramm Himmel – Erde - Mensch
Dieser Drei-Schritt entspricht den drei Wesensbereichen des Mensch Körper, Atmung/ Emotion und Geist. Im chinesischen nennt man sie die drei Schätze (San Bao) Jing, Qi und Shen.
Jing ist die Potenz des Körperlichen, der Same und das Ei. Wenn auch extrem fein, so können wir sie doch sehen und berühren, deswegen zählen sie zum Jing, der Essenz. Das Qi, die Lebenskraft/ Energie ist nicht substantiell, doch drückt sich das Qi in der Substanz aus, wie im Atem oder der Emotion, warum beide auf einer Ebene anzusiedeln sind. Shen ist die geistige Aktivität des Menschen. Der Geist ist nicht sichtbar, und untereinander können wir, bezogen auf unsere Gedanken, uns selbst, und den Anderen am meisten täuschen.
Diese drei Schätze entsprechen den drei Dantian, Kopf, Brust und Bauch, und wie wir sie in der Übung anordnen. Aufrechtstehend bringt man sie zur Harmonisierung der Lebenskraft in eine Linie übereinander.
Die drei Dantian
Abgeleitet von Licht und Dunkelheit erkennen wir im Tai Ji neben oben/ Licht/ Mittag und unten/ Dunkelheit/ Nacht (vertikale Achse) auch links die aufgehende Sonne, den Morgen und den Frühling, und rechts die untergehende Sonne, den Abend und den Herbst als horizontale Achse. Dieses Bild zeigt gleichzeitig die vier Stadien der Mondbewegung, die vier Jahreszeiten und die vier Himmelsrichtungen.
Die 4 Kardinalzeichen im Kreis und der Strichcode nach Fu Xi
Eine vertikale und horizontale Einteilung in die vier Richtungen diente dem Menschen seit jeher als Orientierung in der Welt. Wie die Spiralbewegung, so sind auch die vier Richtungen im Gefühl des Menschen verankert. Bewegen wir uns, folgen wir diesen Kräften meist ohne es zu wissen. Im Qigong lernen man mit diesen Kräften immer bewusster zu arbeiten. Dazu teilt man den Raum, in dem man sich bewegt in die vier Himmelsrichtungen ein. Ich stehe in der Mitte. Mit dieser Einteilung werden die Bewegungen präzise, doch spielt dabei auch die Langsamkeit in der Bewegung eine wichtige Rolle. Mit Hilfe der Vorstellungskraft können wir uns dann in uns, und außerhalb von uns orientieren, und mit dem universellen Qi verbinden. Dabei kann jede Bewegung sowohl in die eine Richtung, wie in ihr Gegenteil geübt werden. Denn bezeichnend für die Welt der Dualität ist ja, dass jedes Ding zwei Seiten hat. Man kann es auch als Verdoppelung bezeichnen. Dieser Gedanke lässt sich folgendermaßen darstellen.
Die Verdoppelung von Yin und Yang auf der Erde, dargestellt an Berg und Tal und als Strichcode nach Fu Xi
Überträgt man diese Ideen auf den Menschen und seine Bewegungen heißt das:
Traditionelle Abbildung
Beugt sich der Mensch zur Erde, ist alles Yang was von der Sonne, und alles das Yin, was von der Erde beschienen wird.
Mawangdui-Bildausschnitt:
Breitet der Mensch seine Arme Richtung Sonne aus, ist vorne Yin hinten Yang.
Diese Beziehung des Menschen zum Licht ist grundlegend für die Entstehung der Meridiane, also der Wege die das Qi im Körper nimmt. Ausgerichtet nach Licht und Dunkelheit rufen sie die weiterwachsenden Gewebe und Strukturen im Körper hervor. Dazu heißt es bei Lao Zi: Alle Dinge haben im Rücken das Dunkle und streben nach dem Licht, und die strömende Kraft gibt ihnen Harmonie.
Bezogen auf die Übung ist damit der Standpunkt, also die Füße und ihre Ausrichtung gemeint. Er ist der Dreh- und Angelpunkt, mit dem eine genauere therapeutische Aussagen über die Übung möglich wird. Es braucht immer einen Referenzpunkt, um eine Wirkung zu beschreiben. Die beste Referenz ist die Erde. Bezogen auf den Körper sind es die Füße.
Yin, Yang und Qi und die vier Richtungen des Raumes bestimmen die Ordnung der Dinge. Yin und Yang geben dazu das Grundmuster, das Gesetz. Folgende Tabelle, die man sich jederzeit erweitern lässt, verdeutlichen dieses analoge Denken in der chinesischen Medizin:
Yin-Yang-Analogien
Das Denken mit Yin-Yang ist ein vergleichendes Denken. Doch kommt es direkt aus der Erfahrung des Menschen. Wie bei Mann und Frau beziehen sich die jeweiligen Oppositionen ergänzend aufeinander. Doch gibt es darin immer zwei Kraftrichtungen. Einerseits ziehen sich Yin und Yang gegenseitig an, andererseits stoßen sie sich wieder ab. Sprechen wir von Yin und Yang, beschreiben wir die tiefsten Kräfte im Menschen und im Universum. Sie bewirken Liebe wie Lust. Doch der Preis, den wir für die Möglichkeit der Verschmelzung zahlen heißt Trennung und Schmerz.
Es gilt:
- Yin und Yang sind immer in Beziehung zueinander, und bedingen sich gegenseitig. Der Tag ist nur Tag, weil es die Nacht gibt und umgekehrt.
- Ein Yin ist immer auf ein Yang bezogen, deswegen sind sie relativ. In diesem Winter trage ich diesen Mantel, letztes Jahr war es ein anderer. Ein bestimmter Mann ist der Mann einer bestimmten Frau. Mein rechter und mein linker Arm gehören zusammen. Zusammen erzeugen sie mein Handeln. Diese Reihe lässt sich beliebig fortsetzen.
- Yin-Yang existiert nicht ohne die damit verbundenen Veränderungen in der Zeit, auch Wandlungen genannt. Es gibt vier kardinale Wandlungen, die in Zeit und Raum wie von selbst geschehen, sobald alle Voraussetzungen dazu erfüllt sind.
- Diese Wandlungen sind nicht immer sichtbar, doch haben alle Wesen ein inneres Gefühl dafür. Deswegen sagen wir Sätze wie: heute ist Frühling, oder: eben habe ich den Herbst gerochen.
Die vier Kräfte fördern das Leben, sie verleihen dem Menschen seine Kreativität, die ihn von Beginn an zu kulturellen Leistungen angeregt hat. Dazu zählt die Erfindung des Rades. Es ist nichts Anderes als die vier Richtungen übersetzt in ein bewegtes Werkzeug. Im Qigong kann man fühlen, wie die Beinbewegung des Beckens die Konstruktion der Pedalen beim Fahrrad vorwegnimmt. Erst wenn die eine Pedale ganz oben ist, kann man sie wieder nach unten bewegen und umgekehrt. Das ist der Grund warum Heraklit sagte: Der Weg nach oben ist der Weg nach unten. Albert Einstein schrieb dazu an seinen Sohn: „Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muss sich vorwärtsbewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren“.
Albert Einstein
So wie Tag und Nacht ein Ganzes bilden, kommen auch in der Übung beide Hände aufeinander zu und streben wieder voneinander weg. Würden sie sich nicht voneinander entfernen, könnten sie sich nicht annähern. Das gilt ebenso für die Bewegung der Beine beim Gehen. Der Schritt des Menschen kommt zu Stande, indem die Beine aufeinander zu gehen und sich wieder voneinander entfernen.
Die vorhergehende Bewegung ruft die nächste hervor. Es ist wie beim Zählen, eins, zwei, drei. Damit kommen wir zum zeitlichen Aspekt, der zusammen mit dem räumlichen eine untrennbare Yin-Yang-Beziehung bildet. Lao Zi folgert, „aus der Drei kommen die 10.000 Dinge“, eine Welt der unendlich vielen Möglichkeiten.
Qi-Feld zwischen zwei Polen
Die Eins in der Übung
In der Übung steht der Kreis für den Standpunkt, also für das Hier und Jetzt. Er steht auch für die Vertikalachse und das untere Dantian.
Die Zwei in der Übung
Die Zwei (Dualität) steht für die dualen Aspekte wie: oben-unten, vorne-hinten, rechts-links. Sie werden vom beobachtenden und denkenden Geist unterscheiden. Die eigentliche Bewegung zwischen den Polen ist ja schon das Qi, die Drei. Wir unterscheiden was wir tun, indem wir uns gedanklich auf die Polaritäten beziehen. Yin und Yang ist das Werkzeug des Geistes.
Die Drei in der Übung
Die Drei ist das was wir als Bewegung fühlen. Die Drei ist das Leben und die Bewegung. In China sagt man Qi. Werden die Bewegungen langsam und weich, werden sie gleichmäßig. Werden sie gleichmäßig, werden sie tief. Dann haben wir eine Meditation in Bewegung, dann können wir das Qi als innere Bewegung wahrnehmen.
Die Lemniskate, Zeichen der Unendlichkeit
In der europäischen Kultur ist die liegende Acht das Symbol für die Unendlichkeit, auch Lemniskate genannt, denn Bewegung findet mit ihr kein Ende. Yin, Yang und Qi brauchen sich gemeinsam und ihre Matrix ist die Form der Acht. Diese Signatur findet sich überall. Die Drei bringt alles zum Fließen.
Die drei Kräfte oder Schätze sind der Ausgangspunkt der Kultivierung des Menschen. Das ist ein innerer Prozess, den wir mit Übung weiter vervollständigen können. Idealer Weise verbindet er uns mit dem inneren Kern, dem Teil von uns, der/ die wir vor der Erziehung schon waren.
Es sind einfache Begriffen die man dazu braucht: oben-unten, vorne-hinten, rechts-links, denn so kann man jeden Ort bemessen und erreichen. Dazu nutzt man das Wegenetz, die Leitbahnen oder Meridiane, die der physischen Gestalt folgen.
Qigong ist also keine rein physische Übung, sondern eine Methode, die sich auf die Ganzheitlichkeit des Menschen bezieht. Der Körper selbst ist dabei der Übergang von Geist zu Materie und umgekehrt, und das Fühlen ein unmittelbarer Hinweis auf unser Selbst im Sinn von C. G. Jung. Die Analogien der chinesischen Medizin erlauben es, den Körper in diesem Sinne zu lesen und zu verstehen.
Qigong zu üben tut immer gut. Es entspannt und kräftigt gleichzeitig.
Wie macht das Qigong das?
Es nutzt die Schwerkraft und die Symmetrie des Körpers gleichermaßen. Es verbindet uns mit der Erde, zentriert uns, und öffnet unseren Geist für die Weite des Himmels, sodass wir die ursprüngliche Natur wieder spüren können.
Die Schwerkraft, die das ganze Universums durchzieht, wirkt auch im Menschen. Im Qigong lernt man das zu fühlen. Man fühlt Becken, Beinen und Füßen, und stellt einen Kontakt mit der Erde her, was extrem entlastet. Dabei nutzt man die Vorstellung, und stellt sich vor, man habe Wurzeln wie ein großer Baum. Man fühlt das „unten“ und kann den Körper von Überfluss und Anstrengung befreien.
Das Fühlen ist mit dem Festen, der Materie verbunden, dem Yin, das Denken mit dem Lichten, dem Geist, dem formlosen Yang. Gibt man sich der fühlenden Erde-Kraft hin, beginnt das Qi zu fließen, denn nur wenn die Energie wirklich unten ankommt, kann sie wieder aufsteigen. Dann wird das Herz ruhig und Regeneration und Heilung werden möglich. Es heißt:
„Konzentrieren des Geistes trainiert das Qi,
trainieren des Qi bringt Essenz hervor,
Essenz wandelt sich durch Training in Qi,
Qi wandelt sich durch Training in Geist.“
Die Übungen können im Liegen, Sitzen, im Abstützen, Stehen und im Gehen praktiziert werden. Sie brauchen etwas Ruhe und Zurückgezogenheit, doch wenig Platz. Da man nicht nur die Form ausführt, sondern auch die zu Grunde liegenden Prinzipien, kann jeder Mensch seinen persönlichen Ausdruck in den Bewegungen finden.
Dabei ist das Qigong gut für Jung und Alt, für gesunde und kranke Tage. Es hat viel Raum für das Allgemeine, wie das Individuelle. Es ist flexibel und kann sich jeder Situation und jedem Übenden anpassen.
Es gibt viele Formen und Schulen im Qigong. Gleiche Übungen werden von unterschiedlichen Lehrern immer etwas anders ausgeführt. Hat man aber erst einmal gelernt, Yin und Yang im Körper zu unterscheiden, und die Gegensätze als Einheit wahrzunehmen, wird es immer leichter der inneren Stimme zu folgen. So erkennt man immer besser, was einem im Leben guttut, und was nicht. Regelmäßig praktiziert, entwickelt man Aufrichtung und Spannkraft, innere Festigkeit und Klarheit, Weichheit und Flexibilität und vor allem mehr Zufriedenheit mit sich selbst.
Neben den eigentlichen Formen behandeln kleinere Übungseinheiten Themen wie Lockerung, Entspannung, Erdung, Aufrichtung, inneres Gleichgewicht, das Verhältnis von Spannung und Entspannung, Ruhe und Bewegung und den Einsatz der Stimme.